Am 04.11.2010 wurde der Gemeindevertretung Bromskirchen vom Gemeindevorstand ein Antrag zur Einrichtung eines Seniorenbeirates vorgelegt. In der Sitzung habe ich eine Überweisung in den Ausschuß für Soziales, Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz beantragt. Diesem Antrag hat sich die Gemeindevertretung einstimmig angeschlossen. Warum ich dem Antrag in der vorgelegten Form nicht zustimmen konnte, habe ich in meiner Rede deutlich gemacht:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich mich beim Gemeindevorstand bedanken, dass er das Thema „Beteiligung von älteren Menschen“ aufgegriffen hat. Wir haben in der letzten Sitzung der Gemeindevertretung über den Schlussbericht der 136. vergleichenden Prüfung „Demographischer Wandel“ des Hessischen Rechnungshofes gesprochen. Dabei ist eine zentrale Aussage gewesen, dass die Einwohner Bromskirchens immer älter und immer weniger werden. Aus meiner Sicht besteht an dem vorgelegten Entwurf aber noch erheblicher Diskussionsbedarf.
Die erste Frage die sich mir jedoch im Zusammenhang mit dem vom Gemeindevorstand vorgelegten Antrag stellt ist, ob ein solches Gremium zur Interessensvertretung älterer Menschen nötig ist. Als ich 2006 in die Gemeindevertretung kam – ich war da auch noch jünger… – , habe ich mich gefragt, ob die Einrichtung eines Kinder- und Jugendbeirates in Bromskirchen sinnvoll sei. Jugendlichen ist, wie auch Nicht-EU-Ausländern, im Gegensatz zu Senioren, die Mitwirkung an der politischen Gremienarbeit verwehrt. Wenn man also Jugendliche stärker für die Gestaltung ihrer Zukunft gewinnen will und sich im Rahmen der Integrationsdebatte einen stärkeren Austausch mit Zugezogenen wünscht, sprächen für die Einrichtung solcher Beiräte ebenso gute Gründen, wie für einen Seniorenbeirat. Es gibt aber kein demokratisches Mitwirkungsdefizit für Senioren. Vielmehr ist es die Aufgabe der Gemeindevertreter, dass jede gesellschaftliche Gruppe mit ihren Anliegen vertreten wird.
Kommt man in der Diskussion darum zu dem Ergebnis, dass eine stärkere politische Einflussmöglichkeit der Senioren gewünscht ist, so kommt aus meiner Sicht eine weitere zentrale Frage auf: Wäre ein Beirat in der vorgelegten Form eine wirkliche Interessensvertretung der Senioren? Der Gemeindesvorstand hat sich in seiner Vorlage gegen die sogenannte Urwahl, das heißt die Wahl des Beirates durch die Senioren, ausgesprochen und bevorzugt ein Delegiertensystem. Dieses ist zwar in der Durchführung sicherlich einfacher, aber und hier darf ich die Landesseniorenvertretung Hessen zitieren: „Dem steht der nicht unerhebliche Nachteil gegenüber, dass die eigentlich betroffenen älteren Menschen keinerlei Einfluss auf die Wahl „ihrer“ Interessenvertreter haben.“ Hier wäre wohl eine Versammlungswahl, bei der alle Einwohner der Kommune über 60 zu einer Wahlversammlung eingeladen werden und diese eine im Vorfeld vorbereitete und gegebenenfalls bei der Versammlung erweiterte Liste wählen, vorzuziehen.
Selbst wenn die noch zu führende Diskussion zeigt, dass erstens ein Seniorenbeirat für Bromskirchen sinnvoll ist und zweitens am Delegiertensystem festgehalten werden soll, muss die Frage nach der Zusammensetzung dieses Beirates genauer betrachtet werden. Im Entwurf des Gemeindevorstandes ist je ein Vertreter der evangelischen als auch der katholischen Kirchengemeinde vorgesehen. Ohne an dieser Stelle die wichtige Seniorenarbeit der beiden Kirchen schmälern zu wollen, ist es aus meiner Sicht legitim zu fragen, warum – auch vor dem Hintergrund steigender Kirchenaustritte – diese in dem Beirat berücksichtigt werden sollen, andere Konfessionen aber nicht. So wird in Zukunft auch mit einem größer werdenden Anteil von muslimischen und andersgläubiger Senioren auch im Gemeindegebiet zu rechnen sein. Diese Gruppen werden dann, ebenso wie konfessionslose oder andersgläubige Senioren, aber im Beirat nicht repräsentiert werden. Davon abgesehen ist eine Vertretung religiöser Gruppierungen in einem politischen Gremium aus meiner Sicht grundsätzlich abzulehnen, da dies gegen die gebotene Trennung von Kirche und Staat spricht. Weiterhin sollen vier Vertreter der örtlichen Vereine plus ein Vertreter des Seniorenclubs Mitglied des Beirates werden. Hierbei wird allerdings in keinster weise auf das Vorschlagsverfahren innerhalb der Vereine eingegangen. Auch ist nicht geregelt, welche Vereine überhaupt berücksichtig werden sollen und welche nicht. Die Tatsache, dass letztendlich der Gemeindevorstand entscheiden wird, stärkt nicht die demokratische Legitimation des Beirates. Ich will niemandem etwas unterstellen aber es könnte (beispielsweise auch in 10, 15 Jahren) zu Interessenskonflikten kommen. Wir alle wissen auch, wie schnell auch „richtige“ Entscheidungen als „Vetternwirtschaft“ abgestempelt werden können. Auch ist unklar, ob die obengenannten Vertreter im Seniorenalter sein müssen oder nicht. Aus § 3 Abs. 3 der vorgelegten Satzung scheint sich das zu ergeben, wird aber nicht weiter konkretisiert.
Aus meiner Sicht sind hier noch viel zu viele Fragen ungeklärt und noch viele Punkte genauer zu diskutieren, so dass ich hiermit die Überweisung in den Ausschuss für Soziales, Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz beantrage. Ich glaube es schadet dem Anliegen des Gemeindevorstandes nicht, dieses Vorhaben im Ausschuss, gerne auch mit Betroffenen, ausführlich zu diskutieren und den Antrag dann vielleicht Anfang des nächsten Jahres abschließend zu beraten.
Nachtrag:
AntwortenLöschenAm 08.12.2010 hat sich der Ausschuß mit dem Thema beschäftigt. Ich darf an dieser Stelle auf das Protokoll verweisen:
Punkt 02/17/10: Einrichtung eines Seniorenbeirats in der Gemeinde Bromskirchen
Die Angelegenheit war von der Gemeindevertretung überwiesen worden. Sie wird im Detail diskutiert. Grundsätzlich sind alle Anwesenden für ein solches Gremium, das als Mittler zwischen Gemeinde, Vereinen und Senioren wertvolle Arbeit leisten und neue Aspekte in die Seniorenarbeit einbringen kann. Unterschiedliche Lösungsansätze gibt es hingegen bei der Zusammensetzung des Gremiums. Hier soll eine vertretbare und arbeitsfähige Größe beibehalten werden. Vertreter der Vereine müssen beteiligt werden. Und die Senioren selbst sollen Personen aus ihren Reihen entsenden können.
Schlussendlich wird vereinbart, dass die Verwaltung zur Zusammensetzung des Beirats auf der Basis der Erörterungen und der von Gemeindevertreter Majewski zur Verfügung zu stellenden Regelung in der Stadt Dietzenbach einen überarbeiteten Vorschlag unterbreitet. Zielsetzung ist eine einvernehm-liche Regelung und die Einbindung von Personen aus allen Ortsteilen und Richtungen.
Ein Beschluss erübrigt sich.